Unfallflucht kann auch gegeben sein, wenn der Geschädigte nicht aktiv nach Personalien fragt
Das Landgericht Saarbrücken kam in einer Beschwerdesache zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht allein deshalb ausscheidet, weil der Geschädigte auf eine Unfallaufnahme durch die Polizei besteht und er seinerseits gegenüber dem warteunwilligen und sodann flüchtenden Fahrer keinen eigenen Versuch unternimmt, dessen Personalien zu erfragen.
Dem Ganzen lag ein Auffahrunfall zugrunde. Der Beschuldigte fuhr auf das stehende Fahrzeug des Geschädigten auf, welcher zuvor verkehrsbedingt abbremsen und halten musste. Der Beschuldigte hielt dem Geschädigten vor, dass er ohne Grund abgebremst habe. Durch den Aufprall entstanden deutlich sichtbare Schäden an Heckklappe und Stoßstange des Pkws des Geschädigten. Nach einem später eingeholten Gutachten belaufen sich die Reparaturkosten auf 3.598,20 € netto, der Geschädigte behauptete später zudem, durch den Unfall eine HWS-Distorsion erlitten zu haben.
Beide Beteiligte stiegen an der Unfallstelle aus und der Beschuldigte versuchte den Geschädigten dazu zu bringen, die Sache ohne Polizei zu regeln, was dieser ablehnte. Der Geschädigte unternahm jedoch nichts, um Name, Adresse oder sonstige Information des Beschuldigten zu erhalten. Stattdessen telefonierte er mit der Polizeiinspektion, was der Beschuldigte mithörte. Dort wurde dem Geschädigten mitgeteilt, dass jemand kommen werde, es aber wegen Überlastung ein wenig dauern könne.
Nach ca. 5 oder 10 Minuten stieg der Beschuldigte in sein Fahrzeug und verließ den Unfallort, ohne dass sich die Unfallbeteiligten zuvor verständigt oder ihre persönlichen Daten ausgetauscht hätten. Etwa 15 Minuten später traf die Polizei am Unfallort ein.
Die Staatsanwaltschaft beantragte beim Amtsgericht, dem Betroffenen die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen. Der Ermittlungsrichter bat die Staatsanwaltschaft um Nachermittlung. Die Staatsanwaltschaft stellte keine Nachermittlungen an. Der Ermittlungsrichter lehnte die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ab. Die Staatsanwaltschaft legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Landgericht vor. Dieses hob nunmehr den Beschluss des Amtsgerichts auf und ordnete mit seinem Beschluss den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis des Beschuldigten sowie die Beschlagnahme des Führerscheins an.
Das Landgericht begründete dies damit, dass der Beschuldigte von einem streitigen Unfallgeschehen ausgehen musste, weil er selbst nach dem Unfall gegenüber dem Geschädigten den Vorwurf des grundlosen Abbremsens erhoben habe. Er selbst habe von sich aus nicht dazu beigetragen, kooperationswillig Angaben zu machen und habe auch seine Fahrzeugpapiere nicht freiwillig vorgelegt. Der Geschädigte habe sich der Hilfe der Polizei bedienen dürfen. Zu diesem Zweck müsse der Beschuldigte als Unfallbeteiligter jedenfalls eine angemessene Zeit warten, was er nicht getan habe.
Ob der Geschädigte seinerseits nach Namen und Adresse des Beschuldigten gefragt hat, spiele für den Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht die entscheidende Rolle. Der Beschuldigte habe nach dem vorliegenden Sachverhalt auch nicht von einem Verzicht des Geschädigten auf Aufklärung des Sachverhalts ausgehen dürfen. Nach alldem sei eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Entfernens von Umfallort nicht auszuschließen.
LG Saarbrücken, Beschluss vom 10.04.2018 – 8 Qs 5/18 (AG Saarbrücken)
Diese Entscheidung macht deutlich, wie schnell der Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit all seinen erheblichen Konsequenzen im Raum steht. Es kann deshalb nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass in unklaren Fällen sicherheitshalber stets die Polizei verständigt werden sollte, um sich nicht selbst der Gefahr einer Strafbarkeit auszusetzen.